18.10.2023
Lea Wohl von Haselberg: Jüdisches Filmerbe – eine Einführung
ohne Film
Ort: Moses Mendelssohn Zentrum, Am Neuen Markt 8, 14467 Potsdam
25.10.2023
Kevin Clarke: Gegen die Heteronorm – Erik Charells Filmoperetten IM WEISSEN RÖSSL und FEUERWERK
Film: Feuerwerk (R: Kurt Hoffmann, BRD 1954)
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Abstract
Gegen die Heteronorm: Erik Charells Filmoperetten IM WEISSEN RÖSSL (1952) und FEUERWERK (1954)
Als jüdisch-schwuler Remigrant versuchte der Regisseur und Produzent Erik Charell (1894–1974) nach dem Zweiten Weltkrieg, an seine kosmopolitischen und queeren Showideale der Zwanziger Jahre neu anzuknüpfen, Ideale, die ihm einst Weltruhm eingebracht hatten und sein Ticket nach Hollywood waren. Doch die ultrakonservative west-deutsche Gesellschaft wollte nach der Neudefinition des Genres Operette durch die Nazis von solchen Musiktheateridealen nichts wissen, auch nicht in Verfilmungen der Stücke. Charells konnte seinen LGBTQ-Protest gegen die reaktionären Zustände der Adenauer-Ära nur im Subtext versteckt ins Kino bringen. Und zog sich dann desillusioniert aus der Unterhaltungsbranche zurück ins Privatleben.
Im Gespräch mit Lea Wohl diskutiert der Operettenforscher Dr. Kevin Clarke – der 2010 eine Ausstellung zu Erik Charell am Schwulen Museum kuratierte und umfangreich zu Charell publiziert hat -, welche Plädoyers für Diversität Charell in seinen Produktionen nach 1945 versteckt hat und wieso sie bis heute von Publikum und Wissenschaft ignoriert werden unter der Annahm „so etwas“ könne es in Operetten und Operettenfilmen nicht geben.
8.11.2023
18:00 Film: The Juggler (R: Edward Dmytryk, USA 1953)
VORTRAG ENTFÄLLT: Klaus Davidowicz: THE JUGGLER – Shoah im klassischen Hollywood-Kino der 50er Jahre
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Abstract
The Juggler – Shoah im klassischen Hollywood-Kino der 50er Jahre
In diesem Teil der Ringvorlesung steht der Film THE JUGGLER von Edward Dmytryk im Zentrum. Er war nicht nur der erste in Israel gedrehte Hollywoodfilm, sondern der erste US-Film, der die psychischen Folgen der Shoah thematisierte. In THE JUGGLER von 1953 spielt Kirk Douglas einen deutsch-jüdischen Shoah-Überlebenden, der versucht, sein Leben in Israel kurz nach der Staatsgründung aufzubauen. Der Film zeigt die emotionalen Herausforderungen, mit denen der Protagonist konfrontiert ist, während er versucht, seine Vergangenheit zu verarbeiten und sich in einer neuen Umgebung zurechtzufinden. Inszeniert hat ihn Edward Dmytryk, der sich bereits in HITLER’S CHILDRREN (1943) und CROSSFIRE (1947) mit Nationalsozialismus und Antisemitismus auseinandergesetzt hatte. Später wird er mit THE YOUNG LIONS (1958) zum ersten Mal die Befreiung eines Konzentrationslagers in einem US-Film zeigen. Kirk Douglas liefert in THE JUGGLER eine beeindruckende schauspielerische Leistung und verleiht der Figur des Hans Müller eine tiefe und authentische Darstellung in einer Geschichte über Überleben, Verlust und Hoffnung.
22.11. 2023
Angelika Levi: Individuelles und kollektives Gedächtnis - Der Moment der Erinnerung in der Montage
Film: Mein Leben Teil 2 (R: Angelika Levi, DE 2002/2003)
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Abstract
Individuelles und kollektives Gedächtnis - Der Moment der Erinnerung in der Montage
Erinnerung ist ein Thema im Film wie Liebe oder Verrat. Erinnerung hat eine emotionale dramatische Struktur. Sie wird verhandelt zwischen Protagonist:innen, Zuschauer:innen und Filmemacher:innen. Ich möchte über die Konstruktion von individuellem und kollektivem Gedächtnis sprechen, darüber wie in einigen meiner Filme die Erinnerung konstruiert ist: aus nicht chronologischen, diskontinuierlichen Momenten, oft fragmentarisch und unvollständig, manchmal eher zwischen den Bildern und Tönen aufblitzend.
6.12.2023
Ofer Aschkenazi:From DIE GEIERWALLY to DIE GOLDENE PEST – The Revival of the German-Jewish Anti-Heimat Film
Film: Die goldene Pest (R: John Brahm, BRD 1954)
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Abstract
Both during the Weimar years and in the early decades of the Cold War, in the wake of national catastrophes, Heimat imagery had played a vital role in the German identity discourse. While the significance of Heimat-films within this trend is well documented, the fundamental contribution of Jewish artists to the formation (and the criticism) of Heimatfilm has been surprisingly overlooked. Ofer Ashkenazis talk analyzes the ways Jewish filmmakers in Germany appropriated conventional Heimat imagery in order to participate in and influence the constitution of German national identity. In manipulating and de-contextualizing Heimat iconography, prominent Jewish filmmakers were able to introduce the aspirations and fears of integration-seeking outsiders—i.e., of German-Jews—into mainstream perceptions of German nationality. Ashkenazi will demonstrate the emergence of such “anti-Heimat” films in the early Weimar years, such as E.A. Dupont’s prototypical Heimatfilm „Die Geier-Wally“ and Lubitsch’s parody of sentimental mountain-films, „Meyer aus Berlin.“ He will argue that Jewish filmmakers in West Germany utilized similar cinematic tools to criticize major tendencies in the post-1945 German identity discourse. John Brahm’s „Die goldene Pest“ is a particularly interesting example of such reemergence of anti-Heimat cinema. The works of Jewish filmmakers such as Brahm or Siegfried Reinhardt evidently influenced the anti-Heimatfilme of the New German Cinema during the late 1960s and early 1970s.
10.1.2024
Oliver Hanley: »Was wissen Sie von mir und meinem Werk?!“« – Die vergessene österreichisch-jüdische Schauspielerin und Filmproduzentin Ellen Richter und die Restaurierung ihres Films MORAL
Film: Moral (R: Willi Wolff, DE 1927), mit Live-Musik
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Abstract
»Was wissen Sie von mir und meinem Werk?!“«. Die vergessene österreichisch-jüdische Schauspielerin und Filmproduzentin Ellen Richter und die Restaurierung ihres Films Moral (D 1928)
Die österreichisch-jüdische Theater- und Filmschauspielerin Ellen Richter (geb. als Käthe Weiß 28.7.1891 in Wien, gest. 11.9.1969 in Düsseldorf) war einer der produktivsten und populärsten Filmstars im deutschen Kino der 1910er und 1920er Jahre. Ab 1913 spielte sie Hauptrollen in gut 70 Spielfilmen populärer Art (darunter Melodramen, Historienfilme, Abenteuerfilme, Krimis und Komödien). Mit ihrem Ehemann Willi Wolff (geb. 16.4.1883 in Schönebeck an der Elbe, gest. 6.4.1947 in Nizza), der für die Drehbücher und später auch die Regie ihrer Filme verantwortlich zeichnete, gründete Richter 1920 die Ellen Richter-Film GmbH und fungierte von nun an als eigene Produzentin. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 endete ihre Filmkarriere abrupt, sie flüchtete ins Exil und geriet in Vergessenheit. 2018 begann das Vorhaben, das Leben und Werk Ellen Richters erstmals umfassend zu untersuchen, was mit der Restaurierung und Digitalisierung ausgewählter Filme von und mit Ellen Richter durch Filmerbeeinrichtungen in Deutschland und im Ausland einhergeht. Das Vorhaben ist in zwei umfangreichen Retrospektiven – 2021 beim renommierten Stummfilmfestival in Pordenone, Italien, und 2022 im Kino Arsenal in Berlin – gemündet, eine Monografie ist in Arbeit. In diesem Vortrag wird anhand des Beispiels ihres letzten erhaltenen Stummfilms Moral die Komplexität der Forschungs-und Restaurierungsarbeit näher beleuchtet.
24.1.2024
Heike Klapdor: Opfer und Täter – ADDRESS UNKNOWN und der blinde Fleck des amerikanischen Anti-Nazi Films
Film: Address unknown (R: William Cameron Menzies, USA 1944)
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Abstract
Opfer und Täter – ADDRESS UNKNOWN (US 1944) und der blinde Fleck des amerikanischen Anti-Nazi Films
Der ‚blinde Fleck‘ des amerikanischen Anti-Nazi Films, mit dem Hollywood in den 1940er Jahren das amerikanische politische Engagement gegen den europäischen Faschismus unterstützt, bezeichnet die „Verschwörung des Schweigens“ (Manfred George) über die Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden, die in den Propagandafilmen nur ausnahmsweise thematisiert wird.
Zu den Ausnahmen gehört ADDRESS UNKNOWN, William C. Menzies‘ Verfilmung der 1938 erschienenen Briefnovelle der amerikanischen Journalistin Katherine Kressmann Taylor. Melodramatisch suggestiv, im Stil des film noir fotografiert und unter Mitwirkung von emigrierten Filmschaffenden wie dem Kameramann Rudolph Maté, dem Komponisten Ernst Toch und den Schauspielern Peter van Eyck und Willy Eichberger (Carl Esmond) realisiert, provoziert das Sujet einer raffinierten Racheintrige: Das jüdische Opfer wird zum Täter, der ‚arische‘ Täter zum Opfer. Novelle und Film interpretieren auf unterschiedliche Weise die rassistischen Stereotype von Macht und Ohnmacht.
7.2.2024
Anna-Dorothea Ludewig und Ulrike Schneider: Ein stereotypes Arrangement: DIE SCHAUSPIELERIN von Siegfried Kühn
Film: Die Schauspielerin (R: Siegfried Kühn, DDR 1988)
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Abstract
Im Oktober 1988 hatte der DEFA-Film „Die Schauspielerin“ im Kino INTERNATIONAL in Ost-Berlin Premiere. Corinna Harfouch spielt darin die junge Schauspielerin Maria Rheine, die einen Identitätstausch unternimmt und zur ‚Jüdin‘ Manja Löwenthal wird, um Mitte der 1930er Jahre mit ihrem Freund und Kollegen Mark Löwenthal zusammenbleiben zu können. Neben diesem ungewöhnlichen Rollen- und Identitätswechsel spielt der Handlungsort eine wesentliche Rolle: das Theater des Jüdischen Kulturbundes in Berlin, an dem jüdische Künstler*innen von 1933 bis 1941 für ein ausschließlich jüdisches Publikum arbeiteten. Vorlage für den Film, der unter der Regie von Siegfried Kühn entstand, bildete der Roman „Arrangement mit dem Tod“ (1984) der Hörspielautorin und Schriftstellerin Hedda Zinner, in dem Zinner die Geschichte des Jüdischen Theaters ausführlich darstellt. Gleichzeitig ist „Die Schauspielerin“ eine Referenz an „Ehe im Schatten“ von Kurt Maetzig, einem der bekanntesten Spielfilme der frühen Nachkriegszeit. Entsprechungen zwischen den weiblichen Hauptfiguren der beiden Filme betreffen nicht allein die Beziehungsgeschichten, sondern vor allem ihre Leidenschaft für und Hingabe an das Theater.
Im Vortrag werden Fragen zur Bearbeitung des verfilmten Romanstoffes im Hinblick auf ein „Jüdisches Filmerbe“ verhandelt und (stereotype) Imaginationen des Jüdischen untersucht.